Prototyp des Lagerbaus, Holzbaracke in der Gedenkstätte Lager Sandbostel bei Bremervörde. Foto: Gedenkstätte Lager Sandbostel
Unterkunft im Öltank, Ruine eines verbunkerten Treibstofflagers bei Schwanewede (Landkreis Osterholz), das als größtes Außenlager des KZ Neuengamme Verwendung fand. Foto: Juliane Hummel, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten
Erholung für die Täter, Reste eines Springbrunnens im Quartier der Wachmannschaften des Konzentrationslagers Esterwegen (Emsland). Foto: Aktionskomitee DIZ Emslandlager e.V.
Von Albert Speer gestaltete „Natur“, Der Bückeberg bei Hameln. Hier fanden von 1933 bis 1937 die „Reichserntedankfeste“ mit bis zu einer Million Teilnehmenden statt. Foto: Bernhard Gelderblom, Hameln
Ein ehemaliges Pumpwerk als Arbeitserziehungs- und Kriegsgefangenenlager, der Augustaschacht bei Hasbergen (Landkreis Osnabrück). Foto: Juliane Hummel, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten
Graffiti von Gefangenen, In einer früheren Arrestzelle der Strafanstalt Wolfenbüttel wurden neben verschiedenen Inschriften auch figürliche Darstellungen entdeckt. Foto: Beate Skasa-Lindermeir, Wolfenbüttel
Unter einer Hochstraße, Räume des ehemaligen KZ-Außenlagers Salzgitter-Drütte auf dem Werksgelände der Salzgitter AG. Foto: Elke Zacharias, Dokumentations- und Gedenkstätte KZ Drütte
Großanlagen der Rüstungsindustrie, Ruine eines Gebäudes, in dem Nitrit produziert wurde, auf dem Gelände der früheren Pulverfabrik Liebenau bei Nienburg/Weser. Foto: Martin Guse, Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau

Bauliche Relikte und Denkmalpflege an Schauplätzen der NS-Diktatur in Niedersachsen

Tatorte eines Unrechtssystems

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurden an unzähligen Orten auf dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen Verbrechen verübt; dazu gehörten:

  • Konzentrationslager der SS: Bergen-Belsen, Esterwegen und Moringen sowie über 50 Außenlager der KZ Neuengamme, Bergen-Belsen, Buchenwald und Mittelbau-Dora
  • Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht: Sieben große Mannschafts-Stammlager mit Arbeitskommandos in nahezu jedem größeren Ort
  • Lager für zivile Zwangsarbeiter_innen aus ganz Europa in fast jeder Stadt und Gemeinde
  • Arbeitserziehungslager und Gefängnisse der Gestapo
  • Gefängnisse, Zuchthäuser, Strafgefangenenlager und Hinrichtungsstätten der Justiz
  • Heil- und Pflegeanstalten, deren Patient_innen zu Opfern der „Euthanasie“ und anderer Verbrechen wurden

Schauplätze der NS-Propaganda und des NS-Kults

Neben den Stätten der Zwangsarbeit und des Terrors gab es eine Vielzahl von Orten, an denen sich der NS-Staat propagandistisch in Szene setzte oder „Kultfeiern“ zelebrierte. Beispielhaft stehen dafür der Bückeberg bei Hameln als Schauplatz der „Reichserntedankfeste“, die „Kultstätte“ Stedingsehre bei Ganderkesee oder der „Sachsenhain“ bei Verden.

Tatorte und Feierstätten waren gleichermaßen Bestandteile des nationalsozialistischen Unrechtssystems. Seine Wirkungsweise lässt sich nur in der Gesamtschau aller Orte und ihrer Geschichte verstehen.

„Steinerne Zeitzeugen“

In der Vermittlung der schwierigen Geschichte dieser Plätze spielen die originalen Bauten oder deren Reste eine wichtige Rolle. Sie sind das „topografische Archiv“ eines Ortes. Zusammen mit schriftlichen, mündlichen, fotografischen und filmischen Überlieferungen dokumentieren sie die historischen Ereignisse. Als zeitgenössische Exponate liefern sie den Besucher_innen die Gewissheit, an einem historischen Schauplatz zu sein, und ermöglichen einen spezifischen Zugang zu seiner Geschichte.

Wissenschaftliche Bauuntersuchungen tragen auch zur historischen Erforschung der Orte bei. Sie liefern Informationen zur Baugeschichte und können Auskunft zum Beispiel über die Haftbedingungen und die Organisation der Lager geben. Einzelne Fundstücke zeugen vom Schicksal der Gefangenen und gewähren einen Einblick in ihren Alltag.

Denkmalschutz

Die baulichen Relikte der nationalsozialistischen Lager und der Schauplätze der NS-Propaganda und des NS-Kults sind erst in jüngster Zeit in den Fokus des Interesses der Bau- oder Bodendenkmalpflege gerückt. 2017 veröffentlichte zum Bespiel der Deutsche Verband für Archäologie Leitlinien zu einer Archäologie der Moderne.

Ausschlaggebend für die Entscheidung der Behörden ist zumeist nicht der kunsthistorische oder architektonische Stellenwert der Anlagen; maßgeblich ist vielmehr ihre historische Bedeutung. Um diese im Rahmen der allgemeinen NS- und der Regionalgeschichte einzuordnen und einen sachgerechten Umgang damit zu gewährleisten, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Denkmalpfleger_innen, Historiker_innen, engagierten Bürger_innen und den Eigentümer_innen erforderlich.

 

Herausforderungen

Der Schutz vor Erosion und Verfall und die angemessene Art der Präsentation dieser speziellen Bau- und Bodendenkmale der Zeitgeschichte sind wesentliche Themen, mit denen sich die Denkmalpflege und die Träger der Gedenkstätten und Dokumentationszentren beschäftigen. Bei den Überlegungen spielen die spezifische Geschichte dieser Orte und die Rücksicht auf die Opfer eine große Rolle. Insofern unterscheiden sich diese Stätten von Freilichtmuseen.

In besonderem Maße sind auch Restaurator_innen gefordert: Oft wurde kurzlebiges Baumaterial wie Holz oder minderwertiger Beton verwendet, was die Frage nach geeigneten Konservierungsmethoden aufwirft.

Notwendig ist auch die regelmäßige bauliche und gärtnerische Pflege der Relikte und Gelände. Hier sind die Gedenkstätten und Dokumentationszentren wegen der hohen Kosten für Aufwand und Personal oft vor große Herausforderungen gestellt.

Denkmalpflege in Niedersachsen

Auskunft zu Tätigkeit und Organisation der Denkmalpflege in Niedersachsen, Informationen zum niedersächsischen Denkmalschutzgesetz sowie Adressen von kommunalen Anlaufstellen bietet die Internetseite des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege.
Auf der Plattform Denkmalatlas Niedersachsen stellt das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege außerdem Informationen über die Kulturdenkmale des Landes zur Verfügung.

Gedenkstättenförderung Niedersachsen

Die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten setzt sich für die Förderung von Gedenkstätten und Initiativen zur Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen in Niedersachsen ein. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Erhalt der historischen Orte, die für die Dokumentation und Bildungsarbeit eine Rolle spielen. Die Stiftung engagiert sich dafür unter anderem durch:

  • Unterstützung bei der historischen Forschung und Recherchen zur Topografie und Baugeschichte
  • Beratung in Fragen der Gestaltung von Gedenkstätten und Friedhöfen sowie bei der Beantragung von Drittmitteln
  • Information über fachliche Mindestanforderungen
  • bei der Durchführung von Freilegungen, Bauunter-suchungen und Konservierungsmaßnahmen
  • Vermittlung von Kontakten
  • Organisation von Workshops und Tagungen

Faltblatt: "Bau.Denk.Mal! Bauliche Relikte und Denkmalpflege an Schauplätzen der NS-Diktatur in Niedersachsen".